Vom
14.10. bis 16.10.2016 fand in Hamburg der 3. Jurier-Think-Tank mit
dem Themenschwerpunkt “Praktische Anleitung zum guten Jurieren”
statt.
Bereits am Mittwoch wurde die Keynote von Marion Seiche auf der Achten Minute veröffentlicht. Darin setzt sich Marion mit Vorwürfen der Philosophen an das Debattieren auseinander und zieht aus ihren Erwiderungen Schlussfolgerungen über den Charakter des Debattierens.
Marions Vortrag lässt sich als Paper mit vollständig ausgeführten Gedanken hier lesen.
Im Folgenden sollen hier nun auch alle anderen Vorträge und Ergebnisse vorgestellt werden.
Bereits am Mittwoch wurde die Keynote von Marion Seiche auf der Achten Minute veröffentlicht. Darin setzt sich Marion mit Vorwürfen der Philosophen an das Debattieren auseinander und zieht aus ihren Erwiderungen Schlussfolgerungen über den Charakter des Debattierens.
Marions Vortrag lässt sich als Paper mit vollständig ausgeführten Gedanken hier lesen.
Im Folgenden sollen hier nun auch alle anderen Vorträge und Ergebnisse vorgestellt werden.
Der
3. Jurier-Think-Tank
Ziel
des Think-Tanks war es, den Prozess des Jurierens von Beginn bis zum
Ende nachzuvollziehen: Von der Themenverkündung bis zum Feedback.
Diesem Ziel entsprechend war der Think-Tank in drei Blöcke
eingeteilt:
-
Block I: Jurieren während der Debatte
-
Block II: Jurorendiskussion nach der Debatte
-
Block III: Feedback nach der Ergebnisfindung.
Für
weitere Details kann das Programm hier eingesehen werden (da Tobias Kube
kurzfristig verhindert war, wurden die Vorträge zur Mitschrift
zusammengelegt).
Eine
Besonderheit des 3. Jurier-Think-Tanks war es, dass in Hamburg eine
sehr heterogene Gruppe zusammenkam. Von kampferfahrenen, alten Hasen
bis hin zu frisch rekrutierten Junghäschen waren alle Kohorten
vertreten. Dadurch war es möglich, in allen Phasen sehr verschiedene
Perspektiven zu hören, was auch im Ergebnis die Vorträge und
Dokumente bereichert hat. Zielgruppe sowohl der Vorträge als auch
der Dokumente sind daher alle Debattierer*innen und Juror*innen:
Sowohl Anfänger*innen als auch die absoluten Profis sollten hier
fündig werden.
Dem
Think-Tank liegt die Hoffnung zugrunde, dass das hier veröffentlichte
Material nun in Jurierseminaren auf VDCH- und Clubebene aufgegriffen,
verwendet und weiterentwickelt wird.
Block
1: Jurieren während der Debatte
Eine
klassische Frage auf Jurierseminaren ist die Frage nach der
Mitschrift: „Wie kann ich meine Notizen am besten gestalten?“. In
der Regel reagieren die Coaches
in solchen Fällen, indem sie auf ihre eigenen Notizen als best
practice zurückgreifen und kurz erläutern, wie sie vorgehen. In
seinem Vortrag „Die Mitschrift als Grundlage erfolgreichen
Jurierens? Ein Annäherungsversuch..“ analysiert Daniil
Pakhomenko verschiedene Mitschriften in beiden Formaten
und geht auf dieser empirischen Grundlage der Frage nach, ob es
signifikante Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt. Daraus lassen
sich zunächst (vorbehaltlich der kleinen Stichprobe von je 6 Bögen
pro Format) systematische Erkenntnisse darüber ableiten, was die
Mitschriften guter Juror*innen auszeichnet (best practice). Diese
empirischen Befunde ermöglichen es aber darüber hinaus, zu zeigen,
wie stark verschiedene Herangehensweisen bei der Mitschrift die
Wahrnehmung der Debatte durch die Jurierenden beeinflusst. Daniils
Vortrag ist – wie alle anderen Vorträge – in voller Länge auf dem Youtube-Kanal für Jurierqualität zu finden. Das Video enthält eine praktische Juriersequenz, an deren
Beispiel Willy Witthaut und Barbara Schunicht ihre
Mitschriften vorstellen und erläutern:
Daniil Präsentation ist auf hier verlinkt.
Eine
spezifische Schwierigkeit beim Jurieren ist die Mitschrift und
Bewertung der „linken“ Kategorien bei OPD. Bereits 2013 hat Jan
Papsch auf der Achten Minute das Problem treffend benannt:
Es bleibt oft „viel Raum auf Links“. Im Rahmen seines Vortrages greift Jan die Inhalte seines Artikels
auf und baut sie weiter aus.
Wer nach Material sucht, anhand dessen
man Anfänger*innen erklären oder mit Fortgeschritten analysieren
kann, wie genau die linken Kategorien juriert werden sollten, wird
hier fündig. Zu empfehlen sind insbesondere die Folien von Jans
Präsentation (hier als PPP oder PDF)
auf denen er Beispiele für schwache bis sehr gute Leistungen gibt
sowie seine „Beispiele aus dem Jurorenkopf“, die bei der
Zuordnung verschiedener Eindrücke zu konkreten Kategorien helfen.
Wie
die ersten beiden Think-Tanks lebte auch die dritte Ausgabe von den
Diskussionen und Arbeitsphasen. Eine längere Arbeitsphase fand am
Ende des ersten Blocks statt. Das Ergebnis ist ein Dokument, das die
Ergebnisse der Diskussion auf dem Think-Tank mit empirischen
Erkenntnisse aus Jurierworkshops verbindet und im Kern die Frage zu
beantworten sucht, wie man den Jurierprozess während der Debatte
optimieren, coachen und einüben kann. Es kann hier aufgerufen werden.
Da
die inhaltlichen Schwerpunkte von Gruppe zu Gruppe sehr
unterschiedlich waren, ist das Dokument insgesamt sehr vielschichtig
geworden.
-
Es beginnt mit der systematischen Aufarbeitung von Schwierigkeiten und Herausforderungen des Jurierens (Hier eine ausführliche Darstellung). Diese können erstens von Coaches verwendet werden, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, wo Handlungsbedarf besteht (die Pädagogen und Lehrämtler würden von Lerngruppenanalyse oder -diagnose sprechen). Zweitens können die Spezialprobleme mit Anfänger-Gruppen Thema für reflexive Gespräche über das Jurieren genutzt werden – auch als Übung.
-
Im zweiten Teil enthält das Dokument Beobachtungen und Verbesserungsideen zum OPD-Bogen.
-
Der dritte Teil schließlich enthält Ideen für Übungen zur Mitschrift, die bei VDCH-Seminaren oder im Clubbetrieb verwendet werden können.
Block
2: Jurorendiskussion nach der Debatte
Der
äußerst unterhaltsame Vortrag von Jule Biefeld zum Umgang mit Nebenjuror*innen richtet sich an alle Hauptjuror*innen und solche, die es werden
wollen. Jule erarbeitet gemeinsam mit der Gruppe, welche Typen von
Nebenjuror*innen es gibt. Sie stellt dar, mit welchen (an dieser
Stelle sozialen, nicht inhaltlichen) Herausforderungen sie
umgehen müssen und entwickelt anschließend Vorschläge für den
Umgang mit ihnen.
Auf
Jules Vortrag aufbauend, aber in der Anlage grundlegender, ist die Checkliste für Chefjuror*innen,
die Jule zusammen mit Barbara erstellt hat.
Auf
Jules Vortrag folgte ein längerer Erfahrungsaustausch, der sich als
echte Goldgrube erwies. In zwei aufeinanderfolgenden Phasen hatten
Hauptjuror*innen und Nebenjuror*innen die Möglichkeit,
problemorientiert von ihren persönlichen Erfahrungen zu berichten.
Die Erfahrungen der Nebenjuror*innen sind inhaltlich in die oben
genannte Checkliste für Chefjurys eingeflossen. Im Rahmen des
Austauschs der Hauptjuror*innen haben wir zum ersten Mal in
systematischer Weise knifflige Situationen erfasst, die zu
Übungszwecken (etwa auf Seminaren für Fortgeschrittene) verwendet
werden können. Patrick Ehmann hat die Ergebnisse hier zusammengefasst. Diese sollen zum einen Coaches entlasten, zum anderen aber auch
inspirieren, weitere Fälle zu sammeln und zu verwenden.
In
dieser Phase wurde das Ziel verfolgt, einen möglichst ehrlichen
Austausch zu erreichen. Daher haben wir bereits im Vorfeld
beschlossen, die Diskussionen nicht zu veröffentlichen und die aus
ihnen entstehenden Ergebnisse zu anonymisieren.
Block
3: Feedback nach der Ergebnisfindung
Ohne
Feedback gibt es keinen Debattiersport, denn das Debattieren lebt von
gutem Feedback. Zugleich ist Feedback geben gewissermaßen die
Königsdisziplin im Jurieren und ein einschlägiger Vortrag darf nicht fehlen. Willy Witthaut setzt sich
in seinem Vortrag „Wie gestalte ich ein sinnvolles Feedback auf Turnieren?“ zum Ziel, die Probleme zu analysieren, die es im Feedback häufig
gibt und daraus Regeln für gutes Feedback abzuleiten. Anschließend
geht er auf die konkrete Umsetzung dieser Regeln ein.
Aufbauend auf
dem Vortrag sowie Willys Präsentation wurden zwei Übersichten bzw. Checklisten für das Geben
von Feedback erstellt, die auch Vorschläge zur Feedbackstruktur
machen und intuitiv (z.B. im Clubbetrieb) verwendbar sind. Sie sind
hier
und hier abrufbar.
Abgeschlossen
wurde der Jurier-Think-Tank durch Barbara Schunicht, die unter der generellen Fragestellung „Was macht einen guten Juror aus?“ die Ergebnisse der Veranstaltung zusammenfasst.
Das Handout zu Barbaras Vortrag ist hier.
Ausblick
Der
2. und der 3. Jurier-Think-Tank haben viele Ideen und viel Material
hervorgebracht. Nun gilt es, dieses anzuwenden. Dies wird einerseits
im Rahmen des bereits in Planung befindlichen 4. Think-Tanks
stattfinden, für den die Konzeption von Jurierseminaren vorgesehen
ist.
Vor
allem muss dies aber im Rahmen von regelmäßig und häufig
stattfindenden Jurierseminaren geschehen. Dabei sollte der Blick über
Anfängerseminare hinaus geweitet werden. Bereits 2015 hat als
Vorbereitung auf die DDM ein Seminar für Fortgeschrittene
stattgefunden. Und mit den Ergebnissen des 2. Think-Tanks sind
darüber hinaus auch Chefjurorenseminare inhaltlich möglich
geworden.
In
der letzten Zeit hat sich eine sehr gewinnbringende Kultur des
Diskurses über Jurierthemen auf der Achten Minute herausgebildet.
Viele einschlägige Artikel wurden veröffentlicht. Dabei wurde auch
deutlich, dass es einerseits lösbare Fragen gibt, zu denen es trotz
Strittigkeit eine Art Mehrheitsmeinung und weitgehend anerkannte best
practices gibt. Andererseits gibt es auch Fragen, die ungeklärt sind
und es vorerst wohl auch bleiben werden. Die Think-Tank-Dokumente
berücksichtigen diese Standpunkte und ordnen sie ein. Dies ist aber
nur in dem Rahmen möglich, in dem Konsens und Dissens auch geäußert
wird – und zwar mit unmittelbarem Bezug auf diese Dokumente.
Dass
auf der Achten Minute diskutiert wird, ist ein wichtiger und sehr
begrüßenswerter Schritt – aber nur der erste. Zu häufig entsteht
der Eindruck, dass es dann, wenn es anschließend darum geht, die
eigentliche Arbeit zu machen (also Dokumente zu erstellen, Workshops
zu konzipieren und vorzubereiten, aber auch in einen ausführlichen
Aushandlungsprozess über Strittiges zu treten) immer die Gleichen
übrig bleiben. In diesem Sinne sei ein Appell an alle, Jung wie Alt
formuliert: Arbeitet an den Dokumenten mit! Die hier
präsentierten Dokumente sind gewissermaßen durch die DDG und den
VDCH finanzierte Grundlagen für die Verbands- und Clubarbeit im
Bereich des Jurierens. Sie werden besser, wenn ihr sie besser macht.
Und
mit diesen Worten wünscht euch das Jurier-Think-Tank-Team viel Spaß
mit den Links.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen